BRNO Erklärung zur Diskussion um die Meisterhaussiedlung in Dessau
7. Juni 2008 – docomomo Deutschland e.V.
Die jahrelange, experimentelle, zur Zeit scheinbar unter Erfolgs- und Zeitdruck stehende
Diskussion um das Ensemble der Meisterhäuser Dessau und das Haus Gropius bzw. Haus
Emmer evozierte folgende Erklärung von docomomo Deutschland e.V.
Architektonische Konzepte für die Meisterhaussiedlung sollten zwei Aspekte beachten:
1. die historische Situation und die Authentizität von Ort und Zeit nicht zu verfälschen,
sondern deren Erfahrbarkeit zu unterstützen,
2. die kreativen Potenziale von zeitgenössischer Kunst und Architektur in diesem Sinne
zu nutzen und verstärkt zu fördern als zukunftsorientierten, kulturellen Beitrag zu
einem differenzierten Umgang mit Bauten der Moderne.
Die Rekonstruktion des Bauzustands von 1926 halten wir für ebenso verfehlt wie
Neubauprojekte, die auf die Beseitigung des aktuellen, und gerade in Bezug auf die
Architektur der Moderne außerordentlich aussagekräftigen Baubestands zielen. Beide
Positionen gefährden die Vielschichtigkeit und Historizität dieses Ortes, indem die an den
existierenden Bauten ablesbaren Geschichtsspuren zugunsten einer ästhetisch prägnanten,
historisch jedoch verkürzenden und verfälschenden Aussage zerstört werden.
Die Reduktion der Architektur der Moderne auf ein zeitlos gültiges ästhetisches Konzept
widerspricht dem historischen Kontext der 1920er Jahre ebenso wie dem umfassenden
technischen, konstruktiven, sozialen und künstlerischen Ansatz der damaligen Architekten.
Dies bedeutet für docomomo als Netzwerk von Architekten, Denkmalpflegern,
Konservatoren, Wissenschaftlern, Kunst- u. Kulturschaffenden und an der Moderne
Interessierten, dass an diesem für die Architektur der Moderne so wichtigen Ort ein
behutsames denkmalpflegerisches Konzept ebenso wichtig ist wie das Vertrauen in
nachhaltige, zukunftsorientierte und kreative zeitgenössische Beiträge.
Die Mitgliederversammlung von docomomo Deutschland in BRNO / Juni 2008 lehnt die
Rekonstruktion der zerstörten Bauten der Meisterhaussiedlung als Mittel eines
angemessenen Umgangs mit dem Erbe der Moderne ab und spricht sich explizit für Geduld,
Besonnenheit und einen behutsamen Umgang mit der aktuellen Bausubstanz aus. Aktuelle
städtebauliche und architektonische Defizite können nur durch zeitgenössische künstlerische
und architektonische Entwürfe behoben werden, die jedoch die Besonderheit des Ortes
respektieren und die Ergebnisse der Architektur- und Bauforschung einbeziehen.
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